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Das zehnte Gebot
Du sollst nicht begehren (“Du sollst nicht begehren” ist die gebräuchlichste Übersetzung eines der zehn Gebote oder Dekalogs, die von Rechtsgelehrten, jüdischen Gelehrten, katholischen Gelehrten und protestantischen Gelehrten weithin als moralische Gebote verstanden werden) Haus, Feld, Diener, Magd, Ochse, Esel und alles, was ihm gehört.
Das gemeinte Verlangen hat nichts mit dem sexuellen Verlangen zu tun, wie wir es aus der heutigen Sprache kennen. Es geht auch nicht um den natürlichen Wunsch des Menschen, diesen Wunsch, den Gott uns durch die Schöpfung gegeben hat den Wunsch, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen. Ohne dieses Verlangen wäre das Leben gar nicht möglich. In gewisser Weise müssen wir uns also wünschen, um zu überleben. Verlangen ist nicht generell verboten, sondern nur das unbändige Verlangen nach dem, was unserem Nächsten, unseren Mitmenschen, gehört. Das 10. Gebot verbietet es uns nicht, etwas Großes zu bewundern, zu finden und zu wünschen, solange wir nicht die Schwäche unseres Nächsten ausnutzen.
Es besteht eine Gefahr im Verlangen, vor der das zehnte Gebot uns schützen soll. Die Gefahr ist, dass unkontrolliertes Verlangen umkippt und in Neid umschlägt. Im Neid stellen wir das Objekt der Begierde über die Person, der es gehört. Gleichzeitig gönnen wir der anderen Person das gewünschte Objekt und wünschen uns, dass es lieber gar nicht exi
stiert, als der anderen Person zu gehören. Um mit der Frustration des Nichtbesitzens umzugehen, beginnen wir automatisch mit Verachtung für unseren Nächsten. Aber Verachtung bedeutet immer auch Selbsterhöhung. Aber das widerspricht sowohl christlichen Prinzipien als auch unkontrollierter Gier. Schon im Lukasevangelium Kapitel 18, Vers 14 heißt es:”Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden; gleichzeitig
hat auch das 10. Das 10. Gebot lehrt uns also, dass es wichtig ist, wie wir unser Verlangen leben und worauf es sich bezieht. Man sollte sich nicht auf etwas fixieren, das jemand anderem gehört, es zu einer Lebensaufgabe machen, dieses etwas zu bekommen und es um jeden Preis anzustreben. Denn dies wäre nicht nur ein Verstoß gegen das 10. Gebot, sondern auch gegen das 1. Gebot Ich bin der Herr, euer Gott, ihr sollt keine anderen Götter neben mir haben (Ex 20,2), aber eine so starke Gier nach etwas ist im Prinzip wie das Anbeten von etwas Nicht-Göttlichem. Unser Wunsch ist legitim, solange er sich an wertvollen Zielen orientiert, nicht nur egoistisch ist und unserem Nächsten in keiner Weise schadet.
Das Verlangen selbst, wie es im Kopf geschieht, ist auch nicht verboten. Schließlich sollte es sich als äußerst schwierig erweisen, ein Gefühl für die Entstehung zu verbieten, das ein Mensch in der Regel wenig tun kann. Um es auf den Punkt zu bringen: Nur der vorsätzliche Umgang mit dem Verlangen ist sündhaft nach dem 10.
Aber wie ist dieses Gebot noch auf die heutige materielle Konsumgesellschaft anwendbar? Werbung trifft uns überall und spricht uns an; sie schafft Lust auf Dinge, die sich andere leisten und sich auch gönnen können. Die Reichen und Schönen werben für alle Produkte sie wollen, dass jeder nicht nur das Gleiche wie die Vorbilder aus der Werbung ist, sondern auch das besitzt, was er sein Eigen nennen darf. Und wieder liegt die Verantwortung bei uns, es vielleicht zu wünschen, aber diesen Wunsch so weit zu kontrollieren, dass keine Gier, kein Neid oder Sucht in uns aufkommt das ist es, was das 10.
Das 10. Gebot ist Ausdruck des Freiheitswillens Gottes. Alle 50 Jahre (auch Jubiläumsjahre genannt) sollen Menschen in ihr Eigentum zurückkehren auch wenn Teile davon bereits verkauft wurden. Denn damals ging es auch darum, dass das Land nie endgültig verkauft werden konnte, weil es Gott gehörte und nur dem Volk geliehen wurde. Diese Jubiläumsjahre gaben den Menschen die Chance auf einen Neuanfang, weil jemand, der in finanzieller oder wirtschaftlicher Abhängigkeit lebte, nicht frei über sein Leben entscheiden konnte (das gilt bekanntlich auch heute noch).
Das 10. Gebot wurde auch durch den Missbrauch der Leibeigenschaft motiviert (Leibeigenschaft ist der Status vieler Bauern unter dem Feudalismus, insbesondere in Bezug auf den Manorialismus). Diener und Mägde gehörten ebenso zum Besitz des Mannes wie Haus, Hof und Vieh. Nehmen wir an, dass ein Mann sich bei einem anderen, reicheren Mann verschuldet hat, um das Feld zu kultivieren. Leider beeinflussen bestimmte Wetterbedingungen die Ernte so sehr, dass der Mann seine Schulden nicht zurückzahlen kann. Derjenige, der das Geld geliehen hatte, hatte nun das Recht, den armen Mann mit Dienstmädchen und Dienern in Besitz zu nehmen. Das zehnte Gebot war, nicht nur die Mägde und Diener vor solchen Dingen zu schützen, sondern auch den armen Mann vor dem völligen Verlust seines Besitzes. Das Beispiel mag weit hergeholt erscheinen, ist es aber nicht unbedingt, obwohl die Diener heutzutage natürlich nicht mehr im Besitz sind und auf ganz andere Weise gesichert werden. Angenommen, Herr X führt ein kleines Unternehmen und möchte eine größere Investition tätigen, für die er einen Kredit aufnehmen muss. Wenn sein Umsatz jedoch sinkt, ist er nicht in der Lage, seine Schulden zu begleichen. Er ist daher gezwungen, das Unternehmen aufzugeben oder zu verkaufen. So wird ihm wie im obigen Fall auch seine Grundlage entzogen.
Generell muss man sagen, dass unsere moderne Gesellschaft nach einer etwas fragwürdigen Auffassung lebt: Man behandelt jetzt niemanden mehr als sich selbst, und jeder bringt so viel wie möglich in seinen Besitz, unabhängig davon, wie sich seine Mitmenschen fühlen mögen. Erfolg scheint heutzutage davon bestimmt zu sein, dass man die Dinge der Schwächeren nimmt und sie wirklich ausnutzt. In dieser Hinsicht hat Profit immer etwas mit Ausbeutung zu tun. Das 10. Gebot ist also auch ein Gebot gegen den Gebrauch der eigenen Macht.
Die Nächstenliebe, eines der christlichen Prinzipien, kann nicht durch das unkontrollierte Verlangen dessen, was ein anderer besitzt, gelebt werden, denn das Verlangen ist egobezogen, aber die Liebe basiert immer auf Dir. Insofern ist es verständlich, dass diese beiden Dinge, Verlangen und Liebe, nicht miteinander vereinbar sind (natürlich nur, wenn das sexuelle Verlangen hier, wie im Gebot vorgesehen, missachtet wird).
Jesus lehrte uns bereits:”Hütet euch vor aller Gier; denn niemand lebt, indem er viele Güter hat (Lukas 12,15).