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Die Landschaft, besonders schön und ruhig gezeichnet, ist die Landschaft um die “Festi” in Ligerz, wo Dürrenmatt mehrere Jahre lebte. Er spielte sich sogar selbst in den Roman ein, er ist ganz unverkennbar der Schriftsteller Bärlach verhört, der Schriftsteller, dem man zumindest den Mord anrechnen möchte. Auch der Schriftsteller, der von der Kochkunst begeistert ist und in Bärlach eine gleichgesinnte Seele findet, der Bärlach, der an einem schlechten Magengeschwür leidet (Magengeschwür, auch Magengeschwür oder Magengeschwür genannt, ist ein Bruch in der Magenschleimhaut, erster Teil des Dünndarms oder gelegentlich auch die untere Speiseröhre) und sollte sich strikt ernähren. “aber schließlich, nach einer dreiviertel Stunde, hörten sie auf, völlig erschöpft zu sein, wie nach einer langen Mahlzeit.”
Der Schriftsteller ist”auch eine Art Polizei, aber ohne Macht, ohne Staat, ohne Gesetz und ohne Gefängnis hinter sich”. Es ist auch sein Beruf, die Menschen im Auge zu behalten”. Im vermeintlichen Mörder sieht er einen Nihilisten, und”es ist immer atemberaubend, einem Schlagwort zu begegnen (Ein Schlagwort ist ein Wort oder eine Phrase, das für eine gewisse Zeit sehr populär wird) in Wirklichkeit”. Eine solche Figur wird vom Schriftsteller mit einer an die Mathematik erinnernden Methode entworfen; die Phantasie des Dichters kreuzt sich mit der Zeichenbretttechnik de
s Schriftstellers. Das damals modische Konzept des Nihilisten (Nihilismus ist eine philosophische Doktrin, die den Mangel an Glauben an einen oder mehrere vermeintlich sinnvolle Aspekte des Lebens suggeriert) wird hier spielerisch, überschwänglich und mit bewusst falschem Pathos “abgeschafft”; seine frühesten Prosastücke beweisen jedoch, dass Dürrenmatt mit dieser Zeit Mode zunächst recht hart umgegangen war.
Doch nun schlägt Dürrenmatts Pfote an zwei Stellen zu: in der Schlussszene, wo Bärlach den Täter verurteilt. Er steht kurz vor einer großen Operation und will ein letztes Mal richtig essen: Hors d’öuvre, Kuchen, Koteletten, Käse. “Ständig essen, gierig die Nahrung dieser Welt verschlingen, zwischen den Kiefern zerquetschen, ein Dämon, der einen unendlichen Hunger stillen konnte.
An der Wand, zweimal vergrößert, erschien seine Figur in wilden Schatten…. wie der Tanz eines triumphierenden Negerhäuptlings. “Der langsame, so bodenständige Berner wird zum”grausamen alten Mann”, zum”teuflischen Esser”, zum”Tiger, der mit seinem Opfer spielt”. Dass Dürrenmatts Figuren diesen unwiderstehlichen Drang haben, sich auszudehnen, ihre Konturen wie Schattenbilder in alle Richtungen zu dehnen, ohne dabei ihre Körperlichkeit zu verlieren, das ist ihr innerstes Baurecht. Diesem Drang zu widerstehen, ist wohl das Schwierigste, was Dürrenmatt bis heute tun kann – schließlich gelang ihm dies in einem Romulus, einem Il, und im Detektiv seines letzten Kriminalromans, dem Versprechen. Solche von seinen Erfindungen zu verlangen, wäre jedoch eine Vergewaltigung seiner Natur. Dürrenmatts Figuren basieren größtenteils auf ihrer gespenstischen Ausdehnung von der Wurzel her, die dennoch eine menschliche ist und bleibt.
Die andere Passage in diesem Roman, die eines Tages in Anthologien stehen mag, ist die Beerdigungsszene im Regen: “So standen sie alle um den Sarg, das Dalag, eine Kiste aus Holz, ohne Kranz, ohne Blumen, aber immer noch das einzige warme, sichere Ding in diesem unaufhörlichen Regen….”. Und da brachen zwei furchterregende Rüpel herein, die einen Lorbeerkranz brachten, auf dessen Band der wahre Schurke des Buches die Toten mit seinem angenommenen Namen verspottet. Eine wirklich grausame Szene, in der fast alle Themen und Klänge Dürrenmatts zu hören sind, die Berner von heute und der fernen Vergangenheit, der”schwarze Humor”, der Goblin im Alltag, das klirrende, kreischende Zusammentreffen verschiedener Tonleitern. Und vor allem: die dichte Konzentration einer ungewöhnlichen Szene aus gewöhnlichen Elementen. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass offen antike Volksverse verwendet werden: “Die Geige ändert sich, sie macht die Leute schief….”
Der Müller bringt ihre Mutter um….”
Man wird dies einfach durch die starke lokale Verbindung dieser Arbeit erklären können. Hier ist Bern (Die Stadt Bern oder Bern ist de facto die Hauptstadt der Schweiz , von den Schweizern als ihre (z.B.) bezeichnet, hier Ligerz (Ligerz ist eine Gemeinde im Landkreis Biel/Bienne im Kanton Bern in der Schweiz ), hier Dürrenmatt selbst, auch wenn sie schattig und nur am Rand erscheint. Was die Menschen einst über diese Landschaft schrieben, konnte und musste sich in ihr äußern. Wenn die antiken Chöre von Dürrenmatt die gemeinsame europäische Vergangenheit im Griff haben, dann ist das Berner Volkslied hier nichts anderes. Die tadellose Harmonie mit Dürrenmatts eigenem Wort wird nicht überhört: Hier wird einmal mehr deutlich, wie stark Dürrenmatt in der Tradition steht, nicht in einer retrospektiven Tradition, sondern in einer Tradition, die aus der Vergangenheit in die Zukunft geht, gerade in einem Akt der wahren cc-Übertragung v, einer wahren Tradition. Wenn hier das”Tüfel” gesungen wird, geschieht dies in einem Werk, für das der Teufel kein leeres Wort, keine Rhetorik, keine folkloristische Phrase ist. Er ist ein Teufel, der zuschlägt, der”Männer” schief schlägt. Schließlich singen die”getönten Metzger” auf Hochdeutsch:”Es geht alles vorbei, es geht alles vorbei”. Dass sie auf Hochdeutsch enden, ist auch in Ordnung. Genauso wie diese helvetischen Lieder in den hochdeutschen Dürrenmatten. Die helvetische Sprachform, die immer zweifarbig ist, lässt den Dialekt immer durchklingen oder könnte ohne ihn zumindest nicht klingen, sie ist an dieser Stelle besonders deutlich zu hören. Aber nicht nur hier. Die Feinde von Dürrenmatts Kunst finden oft die Gelegenheit, ihn für Fehler zu beschuldigen, den Helvetismus (Helvetismen sind Merkmale, die ihn vom Standarddeutsch unterscheiden). Nun möchte ich natürlich sagen, dass ein Deutschschweizer, der beim ersten Versuch nicht die Zunge im Mund hat, kein echter Deutschschweizer ist. Es ist nur gut, wenn die Füllungstiefen zuerst nachhallen. Der zweite Schritt im Umgang mit der Sprache in unserem Land wird natürlich die genaue Untersuchung dieser dialektalen Abweichungen von der Hochsprache sein müssen. Darunter sind Dinge, die ausgerottet werden müssen und andere, zu denen der Dichter stehen muss. Es gibt auch Dinge unter ihnen, die eigentlich erhalten werden sollten, zu denen aber nur ein sprachlicher Mut zum Sterben in der Lage wäre – ich denke hier an die Verwechslung von Nominativ und Akkusativ im prädiktiven Gebrauch. Dass jemand Schlosser wird, ist mindestens so logisch wie ein Schlosser zu werden. Das Akkusativ – im Schweizerdeutsch üblich – malt den Weg des Werdens, das kanonisch korrekte Nominativ das Ergebnis des Weges. Der Ausdruckswert des einen ist dynamisch, der des anderen statisch – es wäre schön, die Wahl dem Sprecher zu überlassen. Nun – selbst Dürrenmatt geht nicht so weit, in solchen Fällen löscht er den Akkusativ, wo er ihn findet. Die Insider wissen, dass er unermüdlich seine Sprache überprüft, dass es ohne Übertreibung ganze Unebenheiten von vielen seiner Seiten gibt. Aber wenn der Ausdruckswert, d.h. die innere Korrektheit einer dialektalen Form notwendigerweise der hochdeutschen überlegen ist, dann bleibt Dürrenmatt fest. Ich hatte einmal einen Streit mit ihm über das”Platzen” im Schlusschor der Alten Dame:”Es platzt an Weihnachten, Ostern
und Pfingsten (Der christliche Pfingsttag wird 50 Tage ab Ostersonntag gefeiert, inklusive Ostersonntag selbst, d. h.).
Dürrenmatt wollte nichts von “Burst” wissen: Hier ist die starke Form. Grundsätzlich wird der schwache, dünne Vokalklang von der Überlegenheit der Konsonanten völlig verschluckt, was der Wichtigkeit des Berstens völlig zuwiderläuft – eine unbestreitbar richtige Bemerkung. Der andere Weg, Sprachschwächen mit anderen Mitteln auszugleichen, wäre natürlich, auf Umwegen etwas zu erreichen, was man ursprünglich im Dialekt besessen hatte. Aber warum sollte der Umweg immer besser sein als der Rückweg? Das wäre nur anfechtbar, wenn Dürrenmatt nichts von dem Grundanspruch der Kunst wüsste, immer ein Umweg, eine Transformation zu sein.
Die Tatsache, dass in der “Richter und sein Henker” die Schweizer Volkspose nun geradlinig verwendet wird, übrigens wieder auf Schweizer Basis stilisiert und sogar an einem der stärksten Orte im Gesamtwerk Dürrenmatts, ist charakteristisch für die Gesamtstimmung dieses Romans, denn seine Welt ist relativ stark an die persönliche Existenz des Dichters gebunden. Hier ist der Kanton Bern, hier Beêner – während Güllen und das Land Elis nur “auch” die Schweiz sind, obwohl sie aus Schweizer Dingen “platzt”.