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2.3 Grafische Notation und Musikgrafik
Zwei in den 1950er Jahren entwickelte Phänomene der Notation sind die grafische Notation und die Musikgrafik. Diese Art der Notation ist kein Zeichensystem; das Ziel, das Komponisten mit ihrem Gebrauch zu erreichen versuchen, ist es, die Improvisation zu stimulieren und musikalische Assoziationen zu wecken. Die Art der Handlung soll weniger oder zumindest nicht ausschließlich durch vereinbarte Zeichen oder mündliche Anweisungen, sondern vielmehr durch bildästhetische Qualitäten animiert werden. (Karkoschka, S. 4) Die grafische Notation kann dem Aktionsskript sehr nahe sein; es kann zum Beispiel die Darstellung von Bewegungen sein (Ligeti, S. 36). Der Unterschied zwischen grafischer Notation und Musikgrafik besteht darin, dass die grafische Notation einen ihr entsprechenden musikalischen Prozess (Ulrich Dibelius: Moderne Musik I. 1945-1965. S. 328) zwingender herausfordert als die Musikgrafik. Eine Musikgrafik deutet nicht unbedingt darauf hin, dass sie bestimmte musikalische Ideen wecken will: Nichts bewirkt, dass diese Grafiken in der Art einer musikalischen Notation gelesen werden; die Unbestimmtheit ist ziemlich vollständig, fast alles wird dem Interpreten überlassen. In der grafischen Notation hingegen entsteht in der Regel ganz spontan der Eindruck einer vorgeschriebenen oder gewünschten Leserichtung; das sagt schon etwas über den mu
sikalischen Verlauf, über die relative Zeitordnung aus; lange Strecken auf dem Papier sind natürlich lang, enge Figuren werden schnell gespielt. Ebenso induzieren Kurven [….] bestimmte Vorstellungen von einer ähnlich geschwungenen Tonlinie, Punkten einzelner Noten, Stakkato oder kurzen Daurns und auffälligen Schwärzungen von großem Volumen, Kraft oder Stimmdichte. (Dibelius, S. 329 f.)
Ein Beispiel für grafische Notation (Graphische Notation ist die Darstellung von Musik durch visuelle Symbole außerhalb des Bereichs der traditionellen Musiknotation), d.h. eine Zeichnung, die direkt nach musikalischer Umsetzung verlangt, ist Mäandros von Anestis Logothesis.
In der Praxis gibt es aber auch hybride Formen zwischen Musikgrafik und Notation: Notationssysteme können einen Teil von visuellen Konfigurationen enthalten, die selbst keine Zeichen sind, und Musikgrafiken als Nichtzeichensysteme können einen Teil von Zeichen enthalten. (Ligeti, S. 38) Ein Beispiel für ein konventionell notiertes Stück mit einem Teil der visuellen Konfigurationen ist Gürnica von Walter Steffens (Walter Steffens, ist ein deutscher Komponist).
Und er ist in dieser Hinsicht berechtigt, denn die technischen Anforderungen an den Interpreten sind heute so hoch, dass seine Fähigkeit, neue Musik richtig wiederzugeben, bereits extrem belastet ist. Wenn er sich zudem gezwungen sieht, wieder lesen zu lernen, gibt selbst der Verliebte manchmal seine Absicht auf, von Anfang an an an einem neuen Stück zu arbeiten. Darüber hinaus bearbeitet und spielt der Dolmetscher nicht nur ein bestimmtes neues Stück mit spezieller Notation, sondern unmittelbar danach ein Werk in einem anderen Skript, mit unterschiedlichen Symbolen. Die wohl größte Schwierigkeit ist die große Vielfalt der Notationssysteme, die mangelnde Einheitlichkeit der Zeichen. Besonders problematisch wird es immer dann, wenn verschiedene Komponisten den gleichen Zeichen unterschiedliche Bedeutungen zuweisen und so Verwirrung stiften. Erhard Karkoschka (Erhard Karkoschka, deutscher Komponist, Wissenschaftler und Dirigent) schreibt: “Die größten Unannehmlichkeiten für die Interpreten ergeben sich nicht aus der Komplikation neuer Notationen, sondern aus den unterschiedlichen Bedeutungen der gleichen Zeichen, die in verschiedenen Partituren vorkommen, und umgekehrt aus den gleichen Bedeutungen verschiedener Zeichen. (Karkoschka, S. 5) Es ist sehr verwirrend, wenn beispielsweise Symbole aus der traditionellen Notation eine neue Bedeutung erhalten: In Bernd Alois Zimmermann (Bernd Alois Zimmermann; voller Name Bernhard Alois Zimmermann) bedeutet Présence, ungefüllte Notenköpfe eine Halbtondemütigung (Palm, S. 89): Aloys Kontarsky (Aloys Kontarsky (Aloys und Alfons Kontarsky waren deutsche Duo-Pianistenbrüder, die mit einer Reihe wichtiger Uraufführungen zeitgenössischer Werke verbunden waren) . Notationen für Klavier. S. 96 f.) und Karkoschka (Karkoschka, S. 5) lösen dieses Problem ebenfalls. Natürlich ist diese Art der Tonhöhenschreibweise nur möglich, wenn gleichzeitig ein anderes System zur Notation der Tonhöhe entwickelt wird. Es ist interessant, dass Kagel das gleiche Prinzip fast zur gleichen Zeit eingeführt hat, aber mit einer anderen Spielregel (Kontarsky, S. 96): Um diese und andere Schwierigkeiten zu meistern, ändern die Interpreten das Skript der Neuen Musik, bis es wieder unverwechselbar zu lesen ist: Das praktische Ergebnis war, dass man die hohlen Notenköpfe mühsam ausfüllte und dann die vor ihnen liegenden Versetzungsmarkierungen schrieb (Palm, S. 89) Diese Verwendung der traditionellen Notation ist auch bei anderen Problemen zu beobachten: Wenn, wie in Bussottis “Phrase à trois”, entscheidende Tempomodifikationen wie Accelerando und Ritardando (Tempo ist in der musikalischen Terminologie die Geschwindigkeit oder das Tempo eines bestimmten Stückes oder Teilstücks davon, wie schnell oder langsam) durch die Schräglage der Notation dargestellt werden, nichts anderes als Verwirrung. Palm lehnt auch die Erfindung neuer Zeichen für Spieltechniken ab, für die es verbale Begriffe gibt, z.B. Tremolo oder Sul Ponticello (dies ist eine Liste von musikalischen Begriffen, die wahrscheinlich in Noten, Musikrezensionen und Programmnotizen vorkommen): Für die am häufigsten vorkommenden Variationen sollten keine Symbole verwendet werden, sondern immer die Worte, die jeder kennt. (Palm, S. 91) Palm empfiehlt die Verwendung der von Penderecki verwendeten und in 2.1 (Palm, S. 91) vorgestellten Symbole zur Klangerzeugung an Klangkörpern und Saitenhaltern von Streichinstrumenten.